Carina Kutschenreuter
Ein unsichtbarer Entführer

Günzburg, eine idyllische Stadt mit 2oooo Einwohnern im Süden Deutschlands. Doch die Geschichte, die sich Anfang 2009 dort ereignete, war für Hauptkommissar Peter Schickl und seinen Kollegen Hans Zimmermann eine neue Erfahrung.

Es war ein verregneter Sonntagmorgen, so gegen 6 Uhr, als Peter Schickl durch das Klingeln seines Handys aus dem Schlaf gerissen wurde. Sein Kollege Hans Zimmermann war am anderen Ende der Leitung. „Hans, was ist los? Warum weckst du mich mitten in der Nacht?“ , fragte der Kommissar. „Tut mir echt leid, Peter. Doch es ist etwas Schreckliches passiert. Es ist schon wieder ein Kind verschwunden. Schon wieder eine Schülerin des Dossenberger Gymnasiums.!“ „Was?“, fragte der Kommissar entsetzt, „das ist jetzt schon die fünfte innerhalb der letzten zwei Wochen.. Wer macht denn so etwas?“ „Ich weiß es auch nicht, doch wir werden jetzt erst einmal die Eltern der Verschwundenen befragen. Vielleicht gibt es ja Parallelen zwischen ihr und den anderen vier Verschwundenen. Los komm, steh auf, ich erwarte dich in zwanzig Minuten vor dem Präsidium.“ Damit legte Herr Zimmermann auf.

Schnell stand Peter Schickl auf, zog sich an und raste mit seinem Auto zur Polizeidienstelle. Dort wartete Hans schon ungeduldig auf ihn. Rasch stieg er in Peters Auto und schon wenige Minuten später standen sie vor dem Haus der vermissten Claudia. Nach der etwa zweieinhalbstündigen Befragung der Eltern und der Recherchen in der Schule am nächsten Tag hatten die zwei Kommissare endlich genau die Informationen, die sie brauchten. Die fünf Mädchen bildeten die Mädchengang „White Girls“, die nicht nur in Günzburg, sondern auch in der Umgebung gefürchtet war. Sie hatten ihren allgemeinen Stammplatz meist am Bahnhof, doch waren sie auch sehr oft am Forum oder beim V-Markt unterwegs. Sie waren bekannt dafür, dass sie kleine Kinder erpressten, ihnen das Geld aus der Tasche zogen und sogar einige Mitschüler mobbten.

Sie hatten also ziemlich viele Feinde. Doch waren sie polizeilich noch nie in Erscheinung getreten, was die Sache den zwei Kommissaren erschwerte. Wer hätte sich an ihnen rächen wollen? Wer waren die Opfer der Mädchengang überhaupt? Fragen über Fragen, auf die die Polizei bis jetzt noch keine Antwort wusste. Ganze zwei Tage tappten die Männer mit ihrer Sonderkommission im Dunkeln, bis sie endlich die Günzburger Zeitung informierten, die einen großen Artikel über die fünf vermissten Mädchen in schrieben.

Es gingen nicht besonders viele Hinweise aus der Bevölkerung ein, doch gab es einen anonymen Hinweis, dass die Mädchen einen Jungen über einen längeren Zeitraum erpresst hatten und das dies der Vater dieser Kinder sehr wohl mitbekommen hatte. Doch schon nach kurzer Recherche hat sich ergeben, dass der Vater zurzeit im Krankenhaus mit einer schweren Lungenentzündung liegt. Somit schied auch er als Täter aus. Doch wer war es dann? Die zwei Kommissare waren ratlos. Deshalb entschieden beide, noch einmal die wenigen Freunde der Vermissten zu befragen. Eines der befragten Mädchen sagte aus, dass die Mädchen zwei Tage bevor das Erste verschwand, genau den Jungen beklauten, dessen Vater im Krankenhaus liegt. Und da der Junge nicht so viel Geld hatte, wie die Mädchen von ihm verlangten, musste dieser sogar selbst von seinem Bruder Geld stehlen.. Außerdem war der Bruder des kleinen Jungen der Exfreund eines der Mädchen. Er hatte sie, wie die Kommissare herausfanden, wegen eines anderen Mädchens verlassen, was die Anführerin der Mädchengang namens Stella, nicht verkraftete. Sie wurde davor noch von keinem Jungen verlassen. Deshalb hatte sie sich auch als „Hauptopfer“ den kleinen Bruder ihres Exfreundes ausgesucht. Auch wurde der Exfreund der Anführerin und diese selbst einen Tag von ihrem Verschwinden zusammen gesehen. Sie sollen sich, laut einer Zeugin, auf dem Günzburger Marktplatz sehr heftig gestritten haben. Jetzt wurde der Bruder des Erpressten von den zwei Kommissaren zu dem Hauptverdächtigen erklärt. Doch als die Polizei den jungen Mann zu Hause verhören wollte, war dieser verschwunden. Niemand wusste, wo er war. Es wurde eine Großfahndung eingeleitet, doch auch diese brachte keinen Erfolg.

Der Junge war wie vom Erdboden verschwunden, weshalb sich für die ganze Polizei der Verdacht erhärtete, dass sie dem richtigen Täter auf der Spur waren. Doch wo war er gerade? Und was noch viel wichtiger war: wo waren die fünf vermissten Mädchen? Auch in der Wohnung des Verdächtigen gab es keinen Hinweis darauf, wo der Verdächtige sich aufhält oder wo die Mädchen sind. Deshalb wurden überall in Günzburg und Umgebung Fahndungsfotos aufgehängt und auch in der Zeitung prangte auf der Titelseite das Bild des Gesuchten Johann F. Die ersten Tage, nachdem das Foto in die Zeitung gesetzt wurde, blieben ergebnislos, doch schon eine Woche später meldete sich eine Zeugin, die sah, wie der Hauptverdächtig zusammen mit einem der vermissten Mädchen in einen Keller eines leer stehenden Hauses in der Bahnhofsstraße einstieg.

Sofort rückten die Kommissare aus, um den Verdächtigen festzunehmen. Am Haus angekommen wurden erst einmal überall Beamte postiert, die aufpassen sollten, dass der Täter nicht flüchtet. Danach gingen die zwei Kommissare mit drei weiteren Kollegen in das Haus.Im Haus war es sehr dunkel und staubig, man konnte fast nichts sehen. Die Kommissare wollten zuerst im Erdgeschoss suchen, doch sie hörten von unten, aus dem Keller, Schläge. Schnell eilten die Polizisten in den Keller und fanden dort die verängstigten Mädchen und den Verdächtigen. Der Täter war gerade dabei, eines der Kinder zu schlagen. Schnell ging Peter Schickl dazwischen und nahm den Verdächtigen fest.

Den Mädchen geht es mittlerweile wieder gut, sie haben sich bei all ihren Opfern entschuldigt. Doch sie werden, wie auch die zwei Kommissare, diese Tage nicht mehr so schnell vergessen.



Carina Kutschenreuter
89331 Burgau